
Amerikas Verbrauch an Antidepressiva hat sich verdoppelt
Neulich bin ich über einen Blog-Beitrag von Richard L. Fellner aus Wien gestolpert: Antidepressiva sind heute bereits die in den USA am meisten verkauften Medikamente – ihr Konsum hat sich in 10 Jahren verdoppelt.
In einem Artikel in der Fachzeitschrift „Archives of General Psychiatry“ haben die Forscher Mark Olfson und Steven C. Marcus die Ergebnisse ihrer Analyse verschiedener Studien zum Einsatz von Antidepressiva aus den Jahren 1996 und 2005 vorgestellt. Insgesamt gehen die Ergebnisse von 50.000 Kindern und Erwachsenen in die Analyse ein.
Das Ergebnis: 10 Prozent der Amerikaner (27 Millionen Menschen) nahmen 2005 Antidepressive – doppelt so viele wie 1996. Allerdings, und das ist bemerkenswert: nur die Hälfte dieser Menschen wird allein wegen Depression behandelt. Genau so viele nehmen zusätzlich Medikamente gegen Rückenschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen oder anderen Beschwerden zu sich.
Olfson & Marcus gehen davon aus, dass nicht unbedingt mehr Menschen depressiv sind, als noch vor 10 Jahren, sondern dass Antidepressiva vermehrt auch bei anderen Erkrankungen als „Stimmungsaufheller“ verschrieben würden. Das könnte auch erklären, warum der Anteil der Amerikaner, die versuchen unter Begleitung eines professionellen Therapeuten etwas an ihrem Leben zu ändern, von 31% auf 20% gefallen sei. Außerdem könnte der immense Werbeaufwand der Pharmafirmen zu einem größeren Glauben an die Wirksamkeit von Antidepressiva geführt haben, so Olfson & Marcus.
Ich vermute hinter diesen doch sehr nachdenklich machenden Zahlen noch ein anderes Phänomen, dass ich auch bei uns immer häufiger feststellen kann: die Menschen neigen immer mehr dazu, die Verantwortung für ihr Leben nach außen zu delegieren. Man braucht nur das richtige Mittelchen oder die richtige Nahrungsergänzung und schon ist wieder alles Paletti. Dass einem der Organismus durch Symptome vielleicht darauf aufmerksam machen möchte, dass es an der Zeit wäre, etwas aktiv an seinem Leben zu ändern, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen. Das Sirene wird abgestellt und der Brand schwelt weiter. Muss es denn erst zum Kollaps kommen?
Viel Spass beim Leben-selbst-in-die-Hand-nehmen,
Doc Ramadani
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